Collection: Marie Hansen Taylor Correspondence
Author: Marie Hansen (Taylor)
Recipient: Lina Braun (Hansen)
Description: Letter from Marie Taylor to Lina Hansen, September 28, 1874.
Original text
[page 1 (sheet 1, right-hand side):]
Cedarcroft, Sept. 28. 1874.
Meine liebste Mutter!
Dein lieber Brief vom 2. d. M.* kam kurze Zeit nach Abgang meines ersten Briefes von hieraus an Dich. Ich war recht froh von Dir zu hören, nur hätte ich gewünscht etwas besseres über Eure häuslichen Angelegenheiten (d. h. über Frl. P.) zu erfahren. Es quält mich zu wissen, daß Du auf Unannehmlichkeiten dieser Art gestoßen bist, denn es ist eine ausgemachte Sache, daß dergleichen noch schwerer zu ertragen ist, wenn man nicht Herrin ist im eigenen Haus. Ich wäre deshalb sehr für einen Wechsel. Eine Haushälterin welche jetzt eintritt würde Dich von Anfang an als weibliches Haupt des Hauses betrachten u. sich anders zu Dir zu stellen haben. Auch sehe ich nicht ein, warum Ihr euch eine solche Plage auferlegen sollt; wenn Du sowohl wie Hans solchen Grund zur Unzufriedenheit habt. In einer Stadt wie Hamburg ist gewiß bald Ersatz zu finden. Hast Du wohl Schritte gethan, liebe Mutter, einen guten hom. Arzt*
[page 2 (sheet 2, left-hand side):]
ausfindig zu machen? Es würde sehr zu meiner Beruhigung dienen, wenn es so wäre. Ich habe hier viele Fragen nach Dir u. Deinem Befinden zu beantworten. Dabei muß ich Dir auch gleich erzählen, daß die Kinder hier sich königlich über die bunten Laternen gefreut haben. Gestern Abend wurde ihnen zum zweitenmal erlaubt, sie anzuzünden u. sie führten damit eine wirklich ganz reizende Prozession im Freien auf. Ich wollte Du hättest ihr Vergnügen sehen können [insertion:] sollen [/insertion]*. Es war übrigens gestern ein recht anstrengender Tag für mich. Das Wetter war himmlisch, wie das prächtigste Juli- wetter in Gotha, u. viele unserer Bekannten benutzen es uns zu begrüßen. Von 10 1/2 Uhr früh bis 8 Uhr abends besuchten uns nach einander 25 Personen. Als die letzten fortfuhren, war ich so fertig, daß ich mich gleich zu Bette legen musste. Es kam wohl dazu, daß dieses warme Wetter, wie wir es ununterbrochen haben, etwas abspannend auf mich einwirkt. Die Morgen u. Abende sind etwas kühl, den Tag über herrscht
[page 3 (sheet 2, right-hand side):]
jedoch vollständiger Sommer. Morgen habe ich wieder eine Fahrt nach Phil.a vor, zum Zahnarzt. Ich sage wieder, weil ich vor einigen Tagen schon einmal dort war, um Lilian's u. meine Zähne untersuchen zu lassen. Lilian's Zähne sind glücklicherweise ganz gesund u. bedürfen keiner Nachhülfe; ich faber habe einen auf beiden Seiten angegangenen Backenzahn u. muß morgen abermals zur Stadt ihn füllen zu lassen. Es ist eine langweilige Geschichte. Lilian ist sehr wohl u. sehr munter. Heut Nachmittag ist sie bei Rose Sickels, welche sie in ihrem kleinen Ponywagen abholte. Mary Sickels ist mit ihrem Vater, der in Angelegenheiten der Regierung reist, auf 2 - 3 Monate nach Europa. Sie waren bereits abgereist als wir ankamen. Mary schreibt fortwäh- rend entzückt von allem was sie sieht. Bayard schreibt an seiner neuen Vorlesung, über das alte Egypten, welche er Ende der Woche zum ersten Mal (als eine Art Probe) hier im Square halten wird. Tags darauf geht er nach N. Y. u. weiter nach den östlichen Staaten um Vorlesungen zu halten. Er hat bereits über
[page 4 (sheet 1, left-hand side):]
80 Einladungen für Herbst u. Winter u. so werden wir ihn wohl nicht viel zu Hause sehen. Mir ist es natürlich recht leid, daß er dieses Opfer bringen muß, um die Mittel zu unserer Subsistenz beizuschaffen u. doch muß ich auch wieder froh sein, daß er dieses Hülfsmittel hat u. [insertion:] so [/insertion] im Stande ist in kurzer Zeit eine bedeutende Summe zusammen zu bringen, denn die 80 Einladungen representiren 8,000 Dollars. Ich beabsichtige Bayard nach N. Y. zu begleiten u. ein paar Tage dort bei Stoddard’s zu bleiben, um mich nach einem Logis umzusehen, ehe die besten für den Winter gemiethet werden. Auch habe ich eine Schule für Lilian im Auge, von der ich gehört u. welche gerade für sie passt. Ich möchte daher gern die Vorsteherin sprechen u. mir die Schule ansehen. Ida geht es bis jetzt gut. Sie scheint zufrieden u. ist mir eine Hülfe in vieler Beziehung. Sie näht u. bessert ganz hübsch aus. Zu meinem Erstaunen kann sie sich auch bereits ganz gut mit den Dienstleuten in der Küche verständigen. Wie sie es eigentlich
[page 4, left margin:]
fertig bringt weiß ich nicht, aber, kurzum, es geht.
[page 3, left margin:]
Meine Schwiegermutter ist doch recht alt geworden, nicht nur körperlich, auch geistig. Die Bonne welche Emma Lamborn sich
[page 2, left margin:]
aus der Schweiz hat mitbringen lassen, ist vortrefflich für die
[page 1, left margin:]
Kinder, ich wollte Emma Wagner könnte eine solche habe. Viele, viele Grüße von allen hier. Herzliche Grüße an Hans u. die Kinder u. möchte Dir es recht gut gehen, liebste Mutter! Deine Dich innig liebende T. Marie.
[page 1, top-right margin:]
Beifolgend eine Briefmarke, die ich hier nicht brauchen kann.
[page 1,right margin:] Nächstens schicke ich Hans eine Zeitung und Bayard’s Briefen.
*Footnote, page 1: d. M. = dieses Monats.
*Footnote, page 1: ham. or hom. likely stands for homöopathischen.
*Footnote, page 2, sheet 2: the strikethrough and insertion came later, in pencil.
Letter metadata