Collection: Marie Hansen Taylor Correspondence
Author: Marie Hansen (Taylor)
Recipient: Lina Braun (Hansen)
Description: Letter from Marie Taylor to Lina Hansen, March 1, 1872.
Original text
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New-York, März 1. 1872
Meine liebste Mutter!
Nimm heute meine allerherzlichsten Glückwünsche zu Deinem Geburtstag entgegen: möchte der Himmel Dir vor allem eine bessere u. festere Gesundheit zutheil werden lassen u. uns in diesem, Deinem neuen Lebensjahr ein frohes Wiedersehen bescheeren! Des Himmels bester Segen sei mit Dir u. Gedeihen begleite Dein stilles Familien walten. Wir werden am 16. so recht liebevoll Deiner gedenken u. das Fest feiern, so gut wir es fern von Dir können. Bis ich wieder bessere Nachricht von Dir erhalte, bin ich eigentlich ziemlich besorgt um Dich, denn der Tod des lieben Großvaters, - des Letzten der alten Braunschen Generation - muß einen recht schmerzlichen Eindruck auf Dein Gemüth gemhacht haben; eigentlich wohl mehr der ihn
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überlebenden Tanten, wegen als des lieben Dahingeschiedenen wegen. In seinem Alter konnte man sich nicht ein viel längeres Leben versprechen, besonders da der Körper so gebrechlich u. der Geist stumpf geworden war; der Lebensfaden war bis zum Ende abgesponnen u. die Seele entfloh der sterblichen Hülle, die dem unerbittlichen Gesetze der Natur verfiel. Daß [insertion:] der [/insertion] armen Tante Emilie aber (denn sie trifft es doch vornehmlich) dieser herbe Schmerz noch aufbehalten sein musste - daß sie nicht mit ihm heimgehen konnte - das ist etwas unendlich Wehes. Ich sehne mich recht nach Nachricht, wie sie es trägt, u. wie des Onkel's Ende noch gewesen, nach so bösen Leidenstagen. Es ist uns doch gar zu leid, daß wir ihn nicht mehr finden werden. Wir hatten es beim letzten Abschied ja kaum erwartet daß er bei unserm nächsten Besuch noch am Leben sein würde - nun stand derselbe aber doch so nahe bevor, daß wir uns fest der Hoffnung hingegeben ihn wiederzusehen. Wir
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werden ihn doch recht vermissen! Am vergangenen Montag erhielt ich erst die Todesnachricht durch Hans, u. schrieb gleich am nächsten Tag an die arme Tante Emilie. Unser Aufbruch nach dem Lande rückt nun immer näher heran u. da ich womöglich alle s alle für den Sommer nothwendige Näharbeit u. alles Kleidermachen hier, wo ich vortreffliche Unterstützung habe, beseitigen möchte ehe wir nach Hause zurückkehren, so habe ich vollauf zu thun! Die alte Mulattin welche ich bei mir habe, näht für ihr Alter sehr gut u. sauber u. außerdem habe ich noch eine deutsche, ganz solide Näherin gefunden, welche nur 1 1/2 Dollar den Tag verlangt. Doch muß ich ihr alles zuschneiden u. einrichten, da sie eigentlich nur Weißnäherin ist. Auch in geselliger Beziehung tritt noch vieles an uns heran, wie es stets geht, wenn man von einem Ort sich trennt. Fast jeder Tag ist bis zu unserer Abreise, die vorläufug auf den 13ten d. Mts.* festgesetzt ist, auf die eine oder andere Art besetzt, u. komme ich nach
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Hause, so erwartet auch dort mich anhaltende Beschäftigung. Denn selbst gesetzt, daß wir das Haus nicht vermietheten, so muß es doch gründlich reparirt u. gereinigt werden ehe wir es verlassen u. alle unsere Sachen, bis auf die Meuble, müssen eingepackt werden. Meine beiden alten Ölbilder aus der Hinterlassenschaft des Onkels Emil werden wir dem Kunstmuseum hier anvertrauen, bis wir einst zurückkehren.
Ich hatte gehofft Dir heute eine andere u. womöglich besser gelungene Photographie von mir, als Geburtstagsgabe mit zu schicken, allein sie ist bis jetzt noch nicht fertig geworden u. wird erst nachträglich erscheinen. Sowohl Bayard wie ich haben 8mal für unsere Bilder gesessen u. eins davon sollte also wohl gut ausgefallen sein.
Da ich Dir erst vor 8 Tagen einen sehr langen Brief geschickt habe, so sollen diese Zeilen Dir hauptsächlich meine Glückwünsche überbringen u. Dir beweisen, wie Du in meinen Gedanken lebst, liebe Mutter. Grüße den lieben Vater herzlichst u. sei des Himmels Segen mit Euch!
Deine Dich treu liebende Tochter Marie.
*Footnote, page 1: d. Mts. = des Monats.
Letter metadata